Was hebt eigentlich eine gute von einer schlechten Serie ab? Tja. Diese Frage stelle ich mir wohl tagtäglich. Die Frage, welche Geschichte überzeugt und welche nicht, ist eine Diskussion so alt wie die Frage, was vorher da war: das Ei oder der blutrünstige Xenomorph? Meistens liegt die Antwort ja auch in der Mitte. Nicht nur dass Geschmäcker verschieden sind, man nennt das wohl einfach Normalverteilung: Gut und schlecht können ohne das Mittelmaß nicht existieren. Dennoch wird nirgends diese Diskussion mit härteren Bandagen geführt als in der allseits beliebten Sternen-Saga.
Autor: Alper K.Turfan
Prinzipiell lieben Fans von Star Wars ja drei Dinge: epische Weltraumschlachten, schicksalsträchtige Duelle mit dem Lichtschwert… und sich gegenseitig im Internet zu zerfleischen bis die Halsschlagader platzt. Man möchte meinen, dass niemand Star Wars mehr hasst als die eigenen garstigen Fans. Ich kann es ihnen nicht einmal verdenken. Das Franchise bekleckert sich aktuell nicht gerade mit Ruhm. Seit Disney 2012 die Chose übernommen hat, erschien viel, was gemeinhin wohl nur als „Franchise-Gedöns“ bezeichnet werden kann: Content um des Content willen, eine Verschlimmbesserung des Universums der Disney-Produzenten, denen die Geldstapel aus allen Hosentaschen quellen.
Grimmige Fans
Im Hause Mickey Maus erschleicht mich das Gefühl, dass die vier Finger der linken Hand nicht wissen, was die rechte Hand tut. Einige Projekte erhalten grünes Licht, obwohl offensichtlich ist, dass mehr Zeit, Energie und allgemeiner Lebenswille und Selbstrespekt in die Drehbücher hätte fließen müssen. Kult-Figuren wie Boba Fett werden in Grund und Boden gestampft und ausgepresst wie eine Zitrone an einem neapolitanischen Limonadenstand, während Obi-Wan Kenobi eine junge Prinzessin Leia vor hunderten Stormtroopern unter seinem Weltraum-Trenchcoat versteckt und durch eine imperiale Geheimbasis schmuggelt. Dass eine solche Szene es jemals in eine Star-Wars-Serie geschafft hat, ist ein Armutszeugnis, das seinesgleichen sucht.
Aber Star Wars existiert nun mal seit 1977. Seitdem sind über ein Dutzend Filme und unzählige Bücher, Comics und Serien erschienen. Dass ein einzelner Fan alles davon gutheißt, ist so wahrscheinlich wie ein Kessel Run in unter zwölf Parsec. Doch Disney ist irgendwie das unvorstellbare Kunststück gelungen, einen Großteil der Fans grimmig zu stimmen und das nicht erst, seit sie Mark Hamill grüne Weltraummilch aus Kuheutern haben pressen lassen (ja, auch diese Szene existiert wirklich).
Helle und dunkle Seiten der Macht
Es gibt Fans, die die tägliche Dosis Hass so sehr brauchen wie Reality-Stars ihren morgendlichen Prosecco. Die cholerischsten Grottenolme unter ihnen haben sich zum sogenannten „Fandom Menace“ zusammengefunden. Für Anhänger dieser losen Meinungsgemeinschaft in den gruseligen Weiten der Sozialen Medien steht fest: Wer Disneys Star Wars unterstützt, kann kein richtiger Fan sein! Die polare Gegenseite wiederum nennt diese Gruppe toxisch und jeder, der Disneys Star Wars kritisiere, sei sowieso politisch motiviert. Es ist ein ewiger Kampf um die Meinungshoheit und wer darüber entscheidet, was richtig ist und was falsch, was gut und was schlecht, wer ein richtiger Fan ist und wer die gesamte Reihe einfach nie verstanden hat. Dass diese Menschen dabei den Grundkonflikt von Star Wars über die helle und dunkle Seite der Macht in die Realität übertragen, ist gelebte Ironie. Dabei lehrte Obi-Wan seinen Padawan Anakin schon einst: „Nur ein Sith kennt nichts als Extreme!“
The Acolyte bringt das Fass zum Überlaufen
Hätten beide Lager mal besser Star Wars geguckt. Im Endeffekt können beide Seiten toxisch sein. Es gibt schließlich auch etwas, das sich toxische Positivität nennt: Nicht denken. Einfach nur konsumieren. Die Kommentarspalten werden immer hasserfüllter, gerade die Extremmeinungen kreieren Aufmerksamkeit und werden von Algorithmen in die Welt hinaus getragen. Warum sollte man auch noch ausführliche Reviews schreiben und versuchen, die Gegenseite zu verstehen, wenn kurze Meinungen von Gleichdenkenden tausendfach geteilt und hochgevotet werden?
Die Stimmung ist gelinde gesagt aufgeheizt und nun ist mit „The Acolyte“ eine Star-Wars-Serie angelaufen, die das Fass zum Überlaufen bringt. Auf IMDb und anderen Bewertungsplattformen hagelt es sowohl 1-Sterne-Bewertungen als auch 10-Sterne-Bewertungen im Protest. Dabei hat die Serienschöpferin Leslye Headland Blut, Wasser und Midichlorianer geschwitzt, um eine kreative Serie zu erschaffen. Es geht schließlich weder um das überbeanspruchte Imperium noch um die gebeutelte Skywalker-Familie. Die Serie spielt ein gutes Jahrhundert vor den Ereignissen um Anakin Skywalker und dessen Mutter, die den fantastischen Namen Shmi trägt (was ich bis zu meinem Lebensende witzig finden werde). In dieser Zeit herrscht Frieden in der Galaxis. Dafür setzt die Galaktische Republik hunderte Jedi ein. Die Sith hingegen gelten als ausgestorben… Zumindest bis ein Jedi nach dem anderen durch die Hände einer jungen Frau umgebracht wird.
Sehenwerte Serie – ja oder nein
Also… Langer Rede, kurzer Sinn: Wie ist die Serie? Nunja. Sie ist… okay. Ja, man kann einige fantastische, spannungsgeladene Lichtschwertkämpfe erleben, und doch quält man sich durch dermaßen hölzerne, gestelzte Dialoge, dass selbst „Episode I: Die dunkle Bedrohung“ daneben wie ein Stück von Shakespeare wirkt. „Du meinst Mae? Deine Zwillingsschwester, die du in deiner Kindheit bei einem Feuer verloren hast und zu der du seitdem keinen Kontakt mehr hast?“
Ja, mit den Figuren Sol, Jecki und Qimir gibt es echte Sympathieträger, doch sind gerade die Hauptfiguren Osha und Mae eindimensional, hölzern gespielt und ändern ihre Motivationen innerhalb von Millisekunden. „Ich werde nicht mitkommen, ich bin keine Jedi.“ – „Osha, bitte.“ – „Na gut, aber ich trage keine alberne Zivilisten-Robe.“ Schnitt zu Osha in einer albernen Robe.
Ja, die Serie schafft es, einige interessante Neuerungen in den Kanon zu tragen, und doch sieht der Bart von Jedi-Meister Torbin trotz des Budgets von 180 Millionen US-Dollar so aus, als habe man ihm seine Achselhaare rasiert und ins Gesicht geklebt. Dass die zentrale Figur dieser Zeit, Vernestra Rwoh, von der Partnerin der Showrunnerin gespielt wird und dabei auf ganzer Linie versagt, wirft nicht gerade ein gutes Licht auf die Produktion. Das ist Nepotismus auf einem neuen Level.
Kurzum: Die Serie hat weder den ausgeuferten Hass noch die überschwängliche Verteidigung verdient. Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte. Obi-Wan Kenobi hatte mal wieder Recht.