Autorin: Lena Kube
Diese Zeit zwischen Stillstand und Umbruch verrät uns so einiges über das Geheimnis des Glücks. Während die einen aus dem Klagen nicht mehr herauskommen, erfinden andere sich neu. Hobbybastler räumen die Baumärkte leer und Wintergärten zeigen sich von ihrer schönsten Seite. Wer kennt sie nicht, diese eine Person, die selbst in der größten Krise ein Lächeln auf den Lippen trägt?
Glücklich sein – wenn das nur so einfach wäre! Die Suche nach der „Glücksformel“ boomt: Über 14.000 wissenschaftliche Studien zählt die World Database of Happiness – die wohl berühmteste Onlinebibliothek rund ums Glück. Hier lässt sich doch bestimmt das Patentrezept für ein glückliches Leben finden. Eine der beeindruckendsten Studien der Glücksforschung stammt von der Harvard-Universität: Um dem Glück auf die Schliche zu kommen, begleiten Wissenschaftler dort seit über 80 Jahren Menschen auf ihrem Lebensweg. Es ist die wohl längste Glücks-Spurensuche der Welt.
Das Ergebnis: Das größte Glück liegt in unseren Beziehungen. Ob ein gutes Verhältnis zu den Eltern oder gemeinsame Abende mit Freunden – Teilnehmer, die enge soziale Kontakte pflegen, sind nicht nur glücklicher, sie leben auch länger. Alleinsein hingegen macht unglücklich und krank. Wer in seinem Leben häufig einsam ist, trägt im Alter zudem eine schlechtere Gedächtnisleistung davon.
Kniffeliger wird es bei der Frage, ob uns Geld zu wahrem Glück verhilft. Auf der Suche nach der Antwort haben amerikanische Forscher ein Jahreseinkommen von 75.000 Dollar – rund 62.000 Euro – als magische Grenze entdeckt. Wer weniger verdient, den macht Geld noch glücklich. Diejenigen, die mehr verdienen sind nicht automatisch glücklicher. Die Krux an der Geschichte: Geld verhält sich zu Glück wie das berühmte Huhn zum Ei. Denn wer von vornherein positiv auf das Leben blickt, zieht beruflichen Erfolg an. Glücklichsein macht reich und Reichsein macht glücklich – ein Dilemma.
Synapsen-Party: Glück beginnt im Kopf
Luftsprünge hinlegen, vor Freude weinen oder am liebsten die ganze Welt umarmen: Ein jeder von uns weiß, wie Glück sich anfühlt. Doch was steckt hinter all diesen Empfindungen? Um einen Blick hinter die Glückskulisse zu werfen, hat flin mit Gerhard Roth gesprochen. Er ist Hirnforscher und Biologe an der Universität Bremen. Das Wörtchen „Glücksrausch“ komme nicht von ungefähr, erklärt der Experte: „Im Gehirn werden in den Tiefen des Hirnstamms hirneigene Drogen ausgeschüttet.“
Der Körper sei in der Lage, Opioide und Cannabinoide selbst herzustellen. Vor allem bei Lob, Anerkennung, Zuneigung und Sex verschafft die Biologie uns diesen natürlichen Glücks-Trip. „Die Glückshormone überschwemmen dabei diejenigen Zentren im Gehirn, die für ein vernünftiges Denken und Handeln zuständig sind, und setzen sie vorübergehend außer Kraft“, so Roth weiter. Sein Tipp: Im Glücksrausch keine wichtigen Entscheidungen treffen.
Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt: Oft verschwinden die Glücksgefühle schneller, als uns lieb ist. „Sie sind niemals beständig, das können sie aufgrund ihrer ‚Hirnchemie‘ nicht“, erklärt Roth. Wie ist es dennoch möglich, dass manche Menschen immer auf der Sonnenseite des Lebens stehen? Wurde ihnen das Glück etwa bereits in die Wiege gelegt?
Tatsächlich. Zwar gibt es keine einzelnen „Glücksgene“, erklärt der Experte, dennoch spielen unsere Anlagen von Geburt an eine zentrale Rolle. „Glück und Zufriedenheit werden durch das Zusammenwirken Hunderter bis Tausender Gene bewirkt“, so Roth. Erfahrungen, die wir Menschen im Laufe des Lebens sammeln, aktivieren diese „Glücksgene“ – oder lassen sie schlummern.
Die Wissenschaft geht heute davon aus, dass die Gabe, Glück und Zufriedenheit zu empfinden, zu 50 Prozent durch unsere Anlagen und zu 50 Prozent durch äußere Einflüsse bedingt wird. Die Volksweisheit „Jeder ist seines Glückes Schmied“ stimmt also nur zum Teil. Denn wer von Geburt an über das entsprechende Naturell verfügt, kann sein Lebensglück viel leichter selbst in die Hand nehmen.
Eine Portion Glück, bitte!
Ist der Alltag wieder einmal stressig oder plagt uns der Liebeskummer, helfen uns die „Glücksgene“ leider nicht. Wie können wir uns selbst eine tägliche kleine Dosis Glück schenken? Sie gilt als der Stresspuffer und Seelentröster schlechthin: Schokolade. Sie hebt unsere Laune und vertreibt – zumindest für kurze Zeit – den Frust. Da sind sich Konsumenten und Wissenschaftler einig. Zahlreiche Studien nehmen die glücksfördernde Wirkung von Schokolade unter die Lupe.
Der Mythos, Grund für den Gute-Laune-Effekt der Schokolade sei das „Glückshormon“ Serotonin, hält sich hartnäckig. Wahr ist: Kakao enthält den Baustein Tryptophan, der im Körper in das Glückshormon umgewandelt werden kann. Doch die in der Schokolade vorhandene Menge ist zu gering, um einen spürbaren Effekt hervorzurufen. So steckt in Eiern und Sojabohnen mehr Tryptophan als in Vollmilchschokolade – der Glücksrausch nach dem Frühstücksei bleibt dennoch aus. Heute erklärt sich die Wissenschaft die stimmungsaufhellende Wirkung von Schokolade als ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren. So werden durch den Verzehr Kindheitserinnerungen geweckt und wir verbinden mit dem Genuss positive Gefühle.
Sicher ist und bleibt: Schokolade macht tatsächlich glücklich! Ein Forscherteam aus Finnland hat über 1.300 ältere Männer nach ihrer Lieblingssüßigkeit gefragt. Das Ergebnis: Schokoladen-Liebhaber sind nicht nur rundum zufriedener, sondern punkten zudem durch einen geringeren Body-Mass-Index. Ebenso leicht wie ein Stück Schokolade kann uns Musik glücklich machen. Beim Kochen schnippeln wir im Takt zu Popsongs aus dem Radio, Kopfhörer lassen uns die Welt um uns herum vergessen. Hören wir Musik, schüttet unser Gehirn den Botenstoff Dopamin aus. Das haben kanadische Forscher bewiesen, indem sie den Dopaminspiegel ihrer Probanden während des Musikhörens gemessen haben. Der Botenstoff verschafft uns einen Motivationsschub und treibt uns an.
Schokolade, Geld, Musik: Wie sieht er denn nun aus, der Weg zum Glück? Wenn das bunte Sammelsurium aus wissenschaftlichen Studien und Ansätzen eines zeigt, dann: Ein Patentrezept fürs Glücklichsein gibt es wohl nicht. Die Mischung macht’s. Ein letztes Puzzleteil auf der Suche nach dem Glück ist Dankbarkeit. Wissenschaftler aus Michigan ließen Studienteilnehmer Erinnerungen niederschreiben, für die sie dankbar sind.
Und siehe da – prompt waren die Probanden glücklicher als zuvor. Das bringt uns dem Geheimnis noch einmal ein Stück näher. Warum ist wohl ein Hobbybastler, der selbst in der größten Krise pfeifend Vogelhäuschen montiert, glücklicher denn je, wenn etwa der richtige Baum auserkoren ist und im Frühjahr – mit etwas Glück – eine Vogelfamilie im Garten einzieht? Vielleicht weil seine heimliche Superkraft darin besteht, für die kleinen Dinge des Lebens dankbar zu sein. Mit anderen Worten: „Don’t wait to be happy – begin with it.“
Glück im Job
Rennfahrer, Bäcker, Ballerina: Fast jedes Kind weiß auf die Frage nach seinem Traumjob eine Antwort. Genau dieser Beruf scheint ihnen das größte Glück zu versprechen. Während des Erwachsenwerdens lassen wir diese kindlichen Ziele jedoch oft hinter uns. Zukunftsfähig und sicher soll unser Job sein, das Einkommen und der Wohnort müssen stimmen. Verlieren wir dabei das, was uns eigentlich erfüllt, aus dem Blick?
Über 1200 Stunden im Jahr verbringt ein Vollzeitangestellter auf der Arbeit. Oft sind wir dabei alles andere als glücklich. Zu viel Stress, ein schlecht gelaunter Chef oder ein zu niedriges Gehalt – die Liste der negativen Punkte ist mitunter lang. Wie wir dennoch lernen können, im Beruf glücklich zu sein, weiß Elke Wagenpfeil. Sie ist Karriere-Coach und unterstützt Menschen, ihre persönlichen Ziele zu erreichen. Die Karriereberaterin erklärt: Wenn Menschen bei der Arbeit ihren Wesenskern leben können, empfinden sie die Tätigkeit als wertvoll. Die eigenen Stärken zu kennen und den passenden beruflichen Weg einzuschlagen, sei jedoch alles andere als einfach. „Wenn ich meine Kunden nach ihren Kernstärken frage, blicke ich oft in ratlose Gesichter“, so Wagenpfeil. „Dann gehen wir gemeinsam auf Suche.“
An die eigenen Bedürfnisse denken
Um gesellschaftliche Erwartungen zu erfüllen oder den Vorstellungen von Eltern oder Partner gerecht zu werden, treten bei der Berufswahl die eigenen Bedürfnisse oft in den Hintergrund. Der erste Tipp der Karriere-Beraterin lautet aus diesem Grund: „Im eigenen Stärkenfeld arbeiten und die eigenen Werte maximal leben.“ Dafür muss nicht immer unbedingt ein Berufswechsel nötig sein, denn wer sich auf die positiven Aspekte seines Jobs konzentriert, kann ihn meist selbst gestalten und verändern. Job-Crafting heißt das Zauberwort.
Fühlen wir uns auf der Arbeit nicht wohl, fehlt uns nicht selten Wertschätzung von außen. Der Chef scheint einfach nicht zu sehen, wie viele Überstunden wir leisten, und die Kollegen drängen uns einen Berg an Aufgaben auf. Anstatt nur das Handeln der anderen verändern zu wollen, rät Wagenpfeil, auch an unseren inneren Stellschrauben anzusetzen: „Wir sollten zwar durchaus unser Bedürfnis nach mehr Wertschätzung ausdrücken, wir sollten sie uns aber auch selbst schenken.“ Knifflig wird es, wenn der finanzielle Aspekt mit dem Glück in Konkurrenz tritt. Was hilft ein erfüllender Beruf, wenn das Geld am Ende des Monats knapp wird? Diese Situation ist für viele Menschen eine echte Zwickmühle.
Was können wir aktiv unternehmen, um im Job glücklicher zu sein? Der erste Schritt sei eine regelmäßige Reflexion, so die Expertin. Erst wer sich über die eigenen Empfindungen bewusst wird, kann seine Weiterentwicklung selbst in die Hand nehmen. „Es ist dann wichtig, auch den Mut zu haben, Dinge zu verändern“, sagt Wagenpfeil. Vom überhöhten Gedanken des perfekten Traumjobs hält die Karriereberaterin jedoch nichts: „Wer der Arbeit einen zu hohen Stellenwert beimisst, läuft Gefahr, in beruflichen Krisen schnell den Halt zu verlieren“, sagt sie im Interview mit flin. Obwohl jeder Mensch den Beruf anders priorisiert, sei ein erfülltes Privatleben immer sehr wichtig – als Sicherheitsnetz und Anker. Mehr Informationen zu Elke Wagenpfeil unter: www.career-coach.de.
Was uns wirklich glücklich macht
Raus in die Natur: Halten wir uns im Grünen auf, fühlen wir uns glücklicher als in der Stadt. Das haben englische Forscher mithilfe einer App herausgefunden. Über das Smartphone wurden Probanden zu willkürlichen Zeitpunkten nach ihrem Wohlbefinden befragt – und dabei ihr Standort erfasst.
Sich mit positiven Menschen umgeben: Glück verbreitet sich wie ein Lauffeuer in sozialen Netzwerken. Wer glücklich ist, beeinflusst die Menschen in seinem Umkreis bis über drei Ecken. Das haben der Mediziner Nicholas Christakis und der Politikwissenschaftler James Fowler entdeckt.
Hilf anderen und du hilfst dir selbst: Wer anderen eine Freude bereitet, wird selbst glücklich. Kanadische Forscher haben Probanden einen Fünf- oder Zwanzig-Dollar-Schein gegeben. Personen, die das Geld statt für sich für andere ausgaben, waren glücklicher. Der Betrag hatte darauf keinen Einfluss.
Beziehungen zu Familie und Freunden pflegen: Qualitative Beziehungen sind der größte Glücksfaktor. Das ist das Zwischenergebnis der wohl längsten Untersuchung, die die Glücksforschung zu bieten hat: The Grant Study und The Glueck Study feierten bereits ihr 75-jähriges Jubiläum.
Nutze deine Stärken: Ob ein gutes Einfühlungsvermögen oder ein musikalisches Talent: Wer seine Stärken einzusetzen weiß, ist rundum zufriedener. Das ist Ergebnis einer Studie aus England.
Reichtum nicht überschätzen: Ein Forscherteam aus Kanada stellte fest: Menschen überschätzen den Einfluss des Geldes deutlich, besonders bei geringem Einkommen.
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