Hach, Marvel: einst geliebt von der Film- und Serienwelt, mittlerweile von Fans häufiger gescholten als ein deutscher Comedian. Marvel verdiente Milliarden mit Superhelden, doch dreht sich die neueste Serie um eine Hexe: Agatha Harkness. Schafft es eine Hexe eine ganze Spin-off-Serie zu tragen?
Autor: Alper K. Turfan
Die Nachbarin von Wanda mauserte sich zum Publikumsliebling in der preisgekrönten Serie WandaVision, die als Sitcom aus den 50ern daherkam und das Superhelden-Genre in ungewöhnliche Bahnen warf. Aber ist die Randfigur Agatha wirklich interessant genug, um eine ganze Spin-off-Serie zu tragen? Ich bin skeptisch. Marvel und Disney stehen schon lange in der Kritik, sozialkritische Botschaften über den Inhalt ihrer legendären Franchises zu stellen. Man versuche progressive Themen im trojanischen Superheldenpferd in sämtliche Filme und Serien zu schleichen, so der häufige Vorwurf.
Eine queere Serie
Agatha All Along ist im Gegensatz zu all diesen Werken aber von Anfang an als queere Serie konzipiert. So ist nicht nur ihr Sidekick Teen schwul, auch Agatha wird schon zu Beginn eine lesbische Beziehung zugeschrieben. Aber können wir nicht einfach mal wieder eine Serie bekommen, die die Gesamtgeschichte von Marvel fortführt und die Figuren weiterentwickelt? Ist das zu viel verlangt? Doch ich war überrascht: Die ersten Stimmen zur Serie waren positiv. Daher freute ich mich darauf, mich auf die ersten beiden Folgen auf Disney Plus einzulassen. Dabei war ich im Stress: Hier lief ein achttägiges Filmfestival, bei dem ich Medienpartner und Juror sein durfte (#humblebrag). An jenem Abend des Serienstarts war meine Aufnahmefähigkeit nach vier Filmen im Kino kleiner als Ant-Man im Quanten-Reich.
Als mich die Hauptdarstellerin Kathryn Hahn vom Bildschirm aus angrummelte, geschah, was mir nur selten passierte: Ich schlief noch in der ersten Minute ein. Als ich Stunden später aufwachte, war mir der Speichel bereits in den Bart geflossen und das Hauptmenü von Disney strahlte mir in die müden Augen. Tja. Bisher habe ich es auch noch gar nicht geschafft, die Episoden aufzuholen. Daher mache ich jetzt aus der Not eine Tugend und empfehle stattdessen eine Serie, die ich als ewige Lieblingsserie im Herzen trage: Godless!
Ein Muss für Westernliebhaber
Gerade im heutigen Streaming-Zeitalter erschleicht mich mehr und mehr das Gefühl, dass Serien Stangenware geworden sind. Daran sind sicherlich die Studios schuld, aber auch das Publikum guckt gefühlt nur noch aktuelle Serien. Hand aufs Herz: Von der Lieblings-Komfort-Serie abgesehen… Wann habt ihr das letzte Mal eine alte Serie durchgebingt? Oder bin ich der Einzige, der nur noch neue Serien guckt? Daher möchte ich nun eine Netflix-Serie in den Fokus rücken, die schon ihrerzeit nicht genügend Beachtung erhalten hat: Godless!
Godless erzählt die Geschichte des Outlaws Roy, der sich in einem Ort namens LaBelle in New Mexico versteckt, das nur von Frauen bewohnt wird. Ihre Männer verendeten bei einem tragischen Grubenunglück. Mit Roys Ankunft aber bahnt sich für sie der nächste Schrecken an: Sein ehemaliger Mentor Frank reitet auf das Örtchen mit seiner 30 Mann starken Bande zu und schwört auf Rache. Für Western-Liebhaber ist diese Miniserie ein Muss: Sie mag ein „Slow Burn“ sein, doch begeistern die starken, vielschichtigen Figuren, ihre großartigen Dialoge und das überragende Produktionsdesign.
Man verfällt zwar der Gemeinschaft der Frauen in LaBelle, doch stiehlt vor allem der Darsteller des einarmigen Banditenanführers Frank allen die Show. Jeff Daniels spielt in dieser prototypischen Western-Story den Mann, der seinen Tod vorausgesehen hat, und daher vor keiner bewaffneten Auseinandersetzung zurückscheut. Man sagt, eine gute Geschichte steht und fällt mit ihrem Antagonisten, und der stille Racheengel ist hier mit Abstand das Beste an der gesamten Serie.
Hach, ich sollte öfter alte Serien gucken.
Bilder: Alper K. Turfan