Kürzlich wurde der Preis für die besten Fernsehprojekte des Jahres verliehen: die Emmys. Zwischen Seth Rogens Imagewechsel vom Kiffer zum Seriengott dank The Studio und einem wohlverdienten Siegeszug der Star-Wars-Serie Andor tauchte ein Name auf, der hierzulande für fragende Gesichter sorgte: The Pitt.
Autor: Alper K. Turfan
Wer, wie, was?Ich recherchierte und stellte fest: Diese Serie hat nichts mit dem gleichnamigen Hollywood-Star zu tun, sondern dreht sich um die Notaufnahme eines Krankenhauses und ist der spirituelle Nachfolger der Lieblingsserie unserer Eltern: Emergency Room. Noch vor kurzem fühlte ich mich selbst wie in einer ausgesprochen langweiligen Episode jener Kultserie.
Die Irrungen und Wirrungen der Genetik haben mir nämlich ein ganz besonderes Unvermögen vermacht: Immer wieder schaffe ich es mir, in erstaunlich regelmäßigen Abständen die Finger zu brechen. Neulich beim Kontaktsport, den man eigentlich mit den Füßen betreibt, erwischte es den „digitus manus V“ meiner rechten Hand. Weil ich aber am nächsten Tag verreisen sollte, riet mir die 116 117 ruhigen Gewissens ins nächste Krankenhaus zu fahren. Dort fragte ich explizit, ob ich mit einer dermaßen harmlosen Verletzung wirklich die Notaufnahme blockieren soll. Doch selbst im Krankenhaus versicherte man mir, dass das kein Problem wäre und man sich um mich kümmern würde… falls ich etwas Wartezeit mitbringe. Schließlich wird nach Priorität behandelt.
Kein Problem! Ich kann warten. Als Einzelkind, das vom Fernseher erzogen wurde und jetzt Kolumnen über Serien schreibt, weiß ich wie es geht. Ich habe mein Handy dabei. Für ein paar Stunden kriege ich mein Eichhörnchen-Gehirn schon beschäftigt. Also wartete ich. Und wartete. Und wartete. Die Zeit blieb stehen, entfaltete sich wie ein Kaleidoskop, klumpte zum Gelee und verpuffte wieder. Neun Stunden zogen an mir vorbei wie eine sanfte Nordsee-Sommerbrise. Mein Tages-Highlight: eine Pulversuppe mit mildem Tomaten-Aroma aus dem Automaten.
Eine Mitarbeiterin teilte zwischenzeitlich mit, dass es ein besonders turbulenter Tag sei. Ich stellte mir vor, wie Menschen in Weiß durch die Flure sprinteten, um Blutfontänen abzuklemmen und bewusstlose Patienten mit Defibrillatoren zurück ins Leben zu schocken.Man merkt, dass mein jämmerliches Wissen über den medizinischen Sektor lediglich von Krankenhausserien zusammengezimmert wurde.
Denn wer in meinem Alter ist, kennt Emergency Room. Keine Mutter in Deutschland war nicht in George Clooney verliebt. Die dramatische Ärzte-Serie wurde auf Pro7 rauf und runter gestrahlt. Wahrscheinlich waren die Tapes morscher als meine Fingerknochen. Die Serie wurde zur Goldmine für ihren Schöpfer: Michael Crichton. Er selbst war Arzt und Schriftsteller, doch kannte man ihn eher für die Schöpfung der Romanvorlage von Jurassic Park.Wenn das mal nicht ein echter Fun-Fact für Serienjunkies war, die auf der nächsten Party ein potenzielles Date verschrecken möchten.
Da wir aber nun in einer Zeit leben, in der Nostalgie mit Geldverdienen gleichgesetzt wird, sollte Emergency Room nach all den Jahren fortgesetzt werden. Doch mit den Erben von Crichton konnte keine Einigung erzielt werden. So entwickelte man die Serie weiter, kreuzte sie mit der Idee von 24 und schuf: The Pitt. Die Serie wird nun in Echtzeit erzählt. Bedeutet: Jede Staffel umfasst genau eine Schicht eines Notarztes und jede einstündige Folge zeigt eine Stunde im Krankenhaus. Spannend.
In den USA wird die Show bereits in höchsten Tönen gelobt. Ich will sie unbedingt sehen, denn auch wenn die Darstellung des Krankenhausalltags oft dramatisiert und überspitzt wird, ist sie vermutlich spannender als mein langer Tag im gräulich-weißen Wartezimmer. Doch leider konnte ich mir die Serie noch nicht einverleiben und das liegt nicht daran, dass meine gebrochenen Finger die Knöpfe der Fernbedienung nicht gedrückt bekommen. Hierzulande gibt es noch keine (legale) Möglichkeit, in den Genuss der HBO-Serie zu kommen.
Das heißt, ich muss wohl weiter warten.
Bilder: Alper Turfan