Beste Marvel-Serie: Nicht nachdenken, konsumieren!

Okay, tief Luft holen, wir müssen da jetzt gemeinsam durch: Heute geht’s um Marvel. So ein Klumpatsch, werden manche innerlich schreien. Aber hey, meckern hilft da nicht: Marvel ist noch immer das größte Film- und Fernsehuniversum der Gegenwart.

Autor: Alper K. Turfan

Alle haben eine Meinung, denn aktuell wird mehr denn je getreten und gezetert. Marvel bekommt die volle Breitseite ab. Gerüchte über Gerüchte plagen das einst so kuschelige Zuhause der Superhelden. Marvel ziehe die Notbremse: Oberbösewicht Kang sei schon wieder Geschichte (der Darsteller steht wegen häuslicher Gewalt vor Gericht), Regisseure werden ausgetauscht (Destin Daniel Cretton wird doch nicht den neuen Avengers inszenieren) und die alten, eigentlich abgesetzten Avengers sollen zurückkehren (wahrscheinlich werden gerade schwindelerregende Verträge ausgehandelt) … Chaos.

Massives Kino-Debakel

Kein Gerücht, sondern Fakt ist das erste massive Kino-Debakel: The Marvels ist phänomenal gefloppt. Dabei sollte der Film über die drei charmanten Heldinnen Ms. Marvel, Captain Marvel und Monica Rambeau die Magie zurück auf die Leinwand und scharenweise Hintern in die Kinositze bringen. Das größte Problem: Seit Avengers: Endgame und dem Showdown gegen Oberfiesling Thanos ist Marvel zum Superhelden-Brimborium verkommen. Früher elektrisierten Filme wie Iron Man, Thor und Captain America, doch freute man sich vor allem auf das Zusammentreffen in den Avengers-Filmen. Jetzt: Tohuwabohu. Niemand hat einen Plan, wohin die Gesamtgeschichte führen soll. Roter Faden? Pah.

Logisch: Es ist schwer, den Überblick zu behalten. Mittlerweile setzt Marvel mehr denn je auf Masse statt Klasse. Selbst die größten Marvel-Fans werfen ihre Kevin-Feige-Gedächtniskappen in die Altkleidersammlung. Jede neue Marvel-Geschichte ist mittlerweile ein Crossover-Event, in dem die wildesten Figurenkombinationen zusammengekleistert werden. Was früher noch eine Besonderheit der Avengers-Eventfilme war, ist spätestens jetzt zur reinen Konsumware vom Grabbeltisch geworden. „Nicht hinterfragen… Ticket kaufen!“ lautet die Disney-Devise.

Die Geschichten selbst haben nur noch selten Gewicht. Jede Szene wird mittlerweile im virtuellen Studio-System The Volume gedreht. Kaum ein visueller Effekt sieht noch überzeugend aus. Ein ums andere Mal zucke ich im Kinosaal mit den Schultern und gähne. Gelungene und berührende Filme wie Guardians of the Galaxy 3 sind Nadeln im Heuhaufen.So weit, so schlecht zum dürftigen Geschehen auf der Leinwand. Im Streaming-Markt aber, auf Disney Plus, gibt es aktuell eine der empfehlenswertesten Marvel-Produktionen überhaupt. Selbst Marvel-Muffel dürften dabei auf ihre Kosten kommen: Loki.

Warum schwankt die Qualität?

Bis 2019 gab es unter Marvel noch das Unternehmen Marvel Television. Gemeinsam mit ABC und Netflix produzierte die Firma beliebte Serien wie Agents of S.H.I.E.L.D. oder die hervorragende Daredevil-Serie. Auch Jessica Jones, Luke Cage und Iron Fist wurden von Marvel Television geschaffen. Mit dem Start von Disney Plus stampfte man Marvel Television ein und Marvel Studios übernahm. Die Serien wurden enger mit den Filmen verzahnt. So entstanden kurzlebige Serien wie WandaVision, Moon Knight oder Hawkeye. Die Serien sind fulminanter geworden, doch auch hier schwankt die Qualität. Das Schlusslicht bildet wohl She-Hulk: der Hulk wird darin immer lächerlicher, die Computereffekte immer hässlicher und der Humor immer alberner – spätestens, wenn She-Hulk in einer New Yorker Anwaltskanzlei mit Rapstar Megan Thee Stallion twerkt.

Es geht auch anders

Loki ist zum Glück… anders. Interessanter. Besser. Mit all seinem Charme und Spitzbubenhumor verkörpert Tom Hiddleston darin den gleichnamigen Publikumsliebling. Der Gott des Unheils wird von einer Zeithüter-Organisation festgenommen. Sie wirft ihm vor, durch die Zeit geflohen zu sein und damit den korrekten Fluss des „Wahren Zeitstrahls“ gebrochen zu haben. Als zeitliche Anomalie soll er nun eliminiert werden und Loki verhandelt um sein Leben. Die Serie bietet einen tieferen Einblick in das filmische Universum von Marvel und schenkt vielen altbekannten Figuren und Ereignissen einen spannenderen Hintergrund. Doch die Serie funktioniert auch für sich: Die Gags zünden, die Ideen fließen und die ausschweifende, rasante und vielschichtige Handlung findet im Großen und Ganzen zu befriedigenden Enden. Sicherlich mag die Ausnahme-Serie auch ihre Schwächen haben, doch sehenswert ist sie allemal. Da darf man gespannt sein, ob Marvel mit den zukünftigen Serien an den Erfolg anknüpfen kann.

Was braucht die Welt?

Puh, doch wenn man sich mal anguckt, was da noch kommt, können Zweifel aufkommen. Braucht die Welt eine Serie über Agatha, die Nachbarshexe aus WandaVision? Mit Marvel Zombies bringt man ein irres Experiment aus den Comics auf die Bildschirme. Die Comic-Figuren Echo, Wonder Man und Ironheart bekommen jeweils ihre eigene Serie… und das war bei weitem nicht alles. Auch Daredevil soll eine Neuauflage bekommen. Viele dieser Serien laufen unter dem Banner „Marvel Spotlight“. Damit möchte man neue Serien schaffen, die abseits des bisherigen Erzähluniversums stattfinden und für die man sich nicht durch den Superhelden-Grabbeltisch gekämpft haben muss, um die Grundhandlung zu verstehen.

Ich muss schon wieder ein Gähnen unterdrücken.

Fotos: Alper Turfan

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