Inflation und Notenbank – ein Blick ins Zentrum der Macht

Das schlimmste liegt hinter uns: Die Inflationsrate wird bis Ende 2025 auf knapp über zwei Prozent fallen. Davon ist Holger Bahr, Leiter Volkswirtschaft bei der DekaBank, überzeugt. Im Interview mit flin erläutert er die Hintergründe.

Das Interview führte Sarah Lohmann

Holger Bahr, Leiter Volkswirtschaft bei der DekaBank

Alle sprechen über die Inflation, doch was genau heißt das eigentlich? Der Begriff geht auf das lateinische Wort „inflatio“ zurück, das sich mit „Aufblähen“ übersetzen lässt. Grundsätzlich sind Preisveränderungen nach oben oder unten nicht ungewöhnlich – bei der Inflation handelt es sich allerdings um einen mehrjährigen Anstieg des allgemeinen Preisniveaus. Kurz gesagt: Konsumenten bekommen für dasselbe Geld plötzlich weniger.

Herr Bahr, was bedeutet der Begriff Inflation ganz konkret?
In der volkswirtschaftlichen Analyse interessiert primär die reale Veränderung des Bruttoinlandsprodukts. Diese monetär bewerteten verschiedenen Güter und Dienstleistungen werden in der Regel aber teurer, es legt sich bei der nominalen Betrachtung eine Art Schleier – die Inflation – darüber. Nominal oder real ist nicht egal! Inflation ist aus volkswirtschaftlicher Sicht eine der wichtigsten Größen und wirkt in allen Bereichen – beim Möbelkauf, im Supermarkt oder auch bei den Konzerttickets für Taylor Swift, die heute viel teurer sind als noch vor einigen Jahren. Die nationale Inflationsrate spielt auch bei Mieten und Löhnen eine Rolle. Wer wissen möchte, wie hoch seine persönliche Inflationsrate ist, kann einmal einen Blick in den Warenkorbrechner des Statistischen Bundesamtes werfen. Jeder hat ein anderes Konsumverhalten und erlebt die Inflationsraten entsprechend stärker oder eben schwächer als im nationalen Durchschnittwert zum Ausdruck kommt.

Aber woher kommen diese Preissteigerungen? Entsteht das „einfach so“?
Das geht, ganz grob gesagt, auf ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zurück. Güter, die erworben werden können, sowie Dienstleistungen bilden das Angebot innerhalb einer Volkswirtschaft. Dem gegenüber steht die Nachfrage der Konsumenten – wir wollen einkaufen, Konzerte besuchen und in den Urlaub fahren. Lehrbuchmäßig ist Inflation ein monetäres Phänomen. Wenn also Notenbanken zu viel Geld in Umlauf bringen, kann dies zu nachfragebedingten Preissteigerungen führen. Seltener und doch mit gleicher Wirkung sind Angebotsbeschränkungen, wie wir sie im Zuge der Corona-Pandemie mit durch Lockdowns gerissenen Lieferketten erlebt haben. Das Angebot lag unter der Nachfrage, was zu Preissteigerungen führte. Stabilitätszielen verpflichtete Notenbanken wie die Europäische Zentralbank oder die US-Notenbank Fed reagieren darauf mit Zinserhöhungen, um die Nachfrage zu bremsen und geldpolitisch zu straffen. Das ist ein ganz normales und sehr effektives Vorgehen, um die Geldwertstabilität zu sichern. Und es hat sich bereits über viele Jahrzehnte bewährt. Kurzum: Notenbanken sind das Zentrum der monetären Macht und sie wollen langfristig eine Inflationsrate in Höhe von zwei Prozent halten.

In Deutschland ist die Inflationsrate also gar nicht so hoch. Warum fühlt es sich für viele Verbraucher ganz anders an?
Die Preise von Produkten, die man häufig kauft und die direkt an der Kasse bezahlt werden müssen, prägen sich Menschen stärker ein. Das ist wissenschaftlich belegt – ein Beispiel hierfür ist der Supermarkteinkauf. Da Lebensmittel in den letzten zwei Jahren erhebliche Preissteigerungen erfahren haben, basiert die pauschale Wahrnehmung, alles sei so teuer geworden, zu einem guten Teil darauf. Außerdem blieben 2021 und 2022 die Lohnzuwächse hinter der allgemeinen Inflationsrate zurück, was bedeutet, dass das verfügbare Geld nicht den teureren Preisen entsprach. Das wird sich in den nächsten zwei bis drei Jahren wieder rauswachsen – schon in 2024 werden die Lohnzuwächse wieder spürbar die Inflationsrate übersteigen.

Welche Branchen sind von der hohen Inflation in Deutschland am stärksten betroffen?
Im ersten Impuls wurde die Inflationsrate durch die Energie- und Nahrungsmittelpreise nach oben getrieben. Nahrungsmittel brauchen viel Energie – sei es bei der Produktion, während des Transports oder bei der Lagerung, weil sie gekühlt werden müssen. Die Mehrkosten wurden unmittelbar an die Konsumenten weitergegeben. Daraufhin folgten Lohnerhöhungen, um dem Kaufkraftverlust entgegen zu wirken und diese Lohnanpassungen strahlten perspektivisch auf alle Branchen ab. Wenn wir nun, so wie die Notenbank es will, eine Inflationsrate in Höhe von zwei Prozent erreichen, genügen auch wieder Lohnsteigerungen von gut drei Prozent – so, wie wir es aus den 10er-Jahren kennen. Dann passen Reallohnsteigerungen und Produktivitätssteigerungen wieder gut zusammen und man kann perspektivisch wieder von einer Balance zwischen Angebot und Nachfrage sprechen. Dann verschwindet das Thema Inflation auch wieder aus dem öffentlichen Diskurs. Man stelle sich ein Fußballspiel vor: Es lief für einen Schiedsrichter super, wenn er das Spiel ohne Aufsehen leiten konnte und anschließend nicht mehr über ihn gesprochen wurde. Genauso ist es bei der Inflation: Gibt es zielkonforme Inflationsraten, zieht das Thema keine Aufmerksamkeit an und es kommt auch nicht zu hektischen Verhaltensänderungen in der Bevölkerung. Die Notenbank fährt dann in Ruhe und im Hintergrund ihre Geldpolitik.

Was würden Sie Menschen raten, die unter den steigenden Lebenserhaltungskosten besonders leiden?
Leiden ist ein großes Wort. Natürlich hört der Spaß dann auf, wenn im Winter weniger geheizt werden muss. Das sind Grundbedürfnisse und bei solchen Themen greift üblicherweise die Sozialpolitik ein: Es gab Entlastungspakete, um die Mehrkosten zu decken. Alles was über die Grundbedürfnisse hinausgeht, kann mit sinkender Nachfrage beantwortet werden. Im Supermarkt hat sich diese Reaktion vielfach darin manifestiert, dass Markenprodukte weniger gefragt waren. Der Verbraucher griff lieber zu den Eigenmarken der Discounter. Der Warenkorb verändert sich insgesamt ohnehin ständig. Darin stecken Nachfrageveränderungen, die eine Gesellschaft gelöst von der Inflationsrate vornimmt. Und dabei haben die relativen Preise innerhalb des Warenkorbes eine wichtige Signalfunktion – wenn alle Leute Streamingdienste oder Wellnessangebote nutzen möchten, ploppen plötzlich entsprechende Angebote hoch und die Preise hierfür pendeln sich wieder ein. Eben weil das Angebot der Nachfrage gerecht wird.

Und wann wird die Inflationsrate wieder sinken?
Die ist schon deutlich gesunken und wird sich bis Ende des nächsten Jahres bei einem Wert leicht über 2 Prozent einpendeln, zwischen 2,1 und 2,4 Prozent. Den schlimmsten Anstieg haben wir schon hinter uns. Zukünftig werden die Preise wieder so steigen, wie sie sollen und die Löhne werden nachwachsen.

Das heißt aber nicht, dass die Preise jetzt wieder sinken, oder?
Nein und das sollen sie auch gar nicht. Denn dann würden wir von der Deflation sprechen müssen, die alles andere als erstrebenswert ist. Ein Absinken der Inflationsrate heißt nur, dass die Preise weniger stark steigen. Der ganz große Plan ist eben, dass der Wert des Warenkorbes im Jahresdurchschnitt moderat ansteigt, und zwar um 2 Prozent – gemäß dem Ziel der Europäischen Zentralbank.

Und welche Auswirkungen hat die Inflation auf den Wertpapiermarkt?
Ganz allgemein führen Inflationsprozesse auf den Wertpapiermärkten immer dann zu Veränderungen, wenn die Notenbanken reagieren. Bis 2020 war die Inflationsrate sehr niedrig, sie lag bei unter 2 Prozent und es gab sogar Negativzinsen in der Eurozone – es war klar, dass das nicht normal ist. Der Inflationsprozess wurde durch die Pandemie angestoßen und den Krieg in der Ukraine massiv beschleunigt. Die Notenbanken sagten: Okay, dann kommen wir und nehmen die Inflation raus. 2022 war daher ein schlechtes Jahr für festverzinsliche Wertpapiere und Rentenmärkte – ein historisches zweistelliges Minus wurde verzeichnet. Die Notenbanken haben währenddessen mit aller Gewalt die Leitzinsen hochgetrieben. Glücklicherweise musste das hohe Zinsniveau nicht lange gehalten werden, schon 2023 nahmen die Kapitalmärkte die Zinssenkungen vorweg, was insgesamt zu einem schönen Wertpapierjahr führte. Und in diesem Jahr werden die Notenbanken tatsächlich die Zinsen senken und der Markt wird sich weiterhin positiv entwickeln. Grundsätzlich bedeutet das: Wenn Notenbanken bremsend aktiv werden, entsteht eine Wertpapierschwäche und anschließend tritt eine spürbare Erholung ein. In der zweiten Hälfte der 20er-Jahre wird die wirtschaftliche Aktivität wieder ganz normal laufen und es ist mit normalen Erträgen zu rechnen.

Womit kann ich in Zukunft reale Wertzuwächse erwarten?
Der klassische Sparstrumpf mit Bargeld ist ganz klar der Verlierer. Wer heute 300 Euro in der Socke hat, wird diese zwar auch noch in zehn Jahren haben, aber er wird sich einfach weniger davon kaufen können. Wir brauchen etwas, das für uns und mit unserem Geld arbeitet. Ein Tagesgeldkonto käme in Betracht. Das ist sehr sicher, aber Sicherheit hat ihren Preis, sodass die Rendite nur gering ausfällt. Über die nächsten Jahre kann man so nicht die Inflation schlagen – das Tagesgeld ist vielmehr die moderne Form des Sparstrumpfs. Dagegen spricht im Umfang von zwei oder drei Nettomonatsgehältern gar nichts, schließlich ist man dann liquide, wenn mal die Waschmaschine kaputt geht. Bundes- und Unternehmensanleihen sind schon wesentlich attraktiver. Man bekommt höhere Renditen – das ist die Entlohnung für das höhere Risiko. Und bei Aktien wird die Sache noch deutlicher – gerade junge Leute können über die Jahre mit Aktien sehr viel Freude haben. Dort arbeiten Unternehmen mit innovativen Ideen für uns Anleger. Eine weitere Möglichkeit sind Immobilien. Die sind im wahrsten Sinne des Wortes einfach solide, schwankungsärmer und trotzdem oberhalb der Inflationsrate, auch, weil sie an Mieterträge gekoppelt sind. Im gewerblichen Umfeld ist eine Indexierung der Normalfall. Zuletzt ist auch die Faszination von Gold einen prüfenden Blick wert. Das ist ein Wertaufbewahrungsmittel – die Renditeerwartung von Gold entspricht dem Inflationsziel der Notenbanken. Es ist besser als Bargeld, aber ebenfalls nicht für den realen Vermögensaufbau geeignet. Kurz gesagt: Immobilien und Renten sind das Standbein, Aktien das Schwungbein.

Undbedingt reinhören: Im Podcast „Mikro trifft Makro“ sprechen Deka-Chefvolkswirt Dr. Ulrich Kater und Moderator Dirk Huesmann über alles, was die Welt, die Börsen und Sie bewegt. Wie funktioniert Volkswirtschaft? Wie beeinflussen aktuelle Themen aus Wirtschaft und Politik die Märkte? Dabei spielen tagesaktuelle Ereignisse aus den Medien eine Rolle, aber auch die Hintergründe des Marktgeschehens sowie grundlegende Marktmechanismen und -zusammenhänge.

Bilder: DekaBank, istock

 

 

 

 

 

 

 

 

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