Alper Turfans Serienreife …. Der liebevolle Meister des Grauens

Guter Horror geht immer! Adrenalin, kontrollierte Angst, die Ästhetik des Grauens… Man muss kein Aussätziger sein, um Horrorfilme und schaurige Serien zu genießen. Auch wenn man an manchen Abenden Lust auf Horror von der Stange hat, haben die tiefgründigeren Horrorgeschichten doch etwas Einzigartiges. Guter Horror setzt nicht auf die Kraft des Schocks, sondern weiß, wie erdrückend Trauer sein kann.

Autor: Alper K. Turfan

Daher leuchteten meine müden Augen auf, als eine brandneue Horror-Serie das Anlitz von Netflix schmückte: Der Untergang des Hauses Usher. Darauf habe ich mich Monate gefreut! Mit dem gleichnamigen R&B-Sänger hat die Serie nichts zu tun, auch ist Usher kein obskures Haus aus dem Kosmos von Game of Thrones. Die Horrorserie ist die wohl größte Adaption der gleichnamigen Kurzgeschichte von Edgar Allen Poe, dem US-amerikanischen Autor aus dem 19. Jahrhundert. Das ist einer der cooleren Autoren, über die man sich in der Schule gefreut hat. Das war zumindest bei mir so. Kaum jemand hat schaurige Gothic-Literatur so geprägt wie Poe.

Milliardenschweres Imperium

Die Serie dreht sich (wenig überraschend) um das Haus Usher. Familienoberhaupt Roderick Usher hat ein milliardenschweres Imperium geschaffen. Der Familienreichtum fußt auf der Vermarktung des Schmerzmittels Ligodon. Das Medikament erfreut sich vor allem in den USA großer Beliebtheit, weil es selbst schwerste Schmerzen lindert, doch hat es auch eine Schattenseite: Nur wenige Medikamente haben ein vergleichbares Abhängigkeitspotential. In nur einem Jahr seien bereits 55.000 Menschen an einer Überdosis verstorben. Als ein Familienmitglied nach dem anderen unter grausamen Umständen ums Leben kommt, vermutet Roderick Usher übernatürliche Machenschaften.

Wer schon einmal die Miniserien Dopesick und Painkiller oder den erschütternden Dokumentarfilm All The Beauty and the Bloodshed gesehen hat, weiß, worum sich das Thema dreht: die Opioid-Krise in den USA. Die Inspiration ist offensichtlich: Das Schmerzmedikament OxyContin wird vertrieben von der milliardenschweren Unternehmerfamilie Sackler. OxyContin ist ein stark wirkendes Opioid mit hohem Suchtpotenzial. In den USA wird es von so manchen Ärzten und Ärztinnen schon bei leichten Schmerzen verschrieben. So geraten Hunderttausende in einen Teufelskreis der Abhängigkeit. Die Folgen sind prekär: In den letzten zwanzig Jahren sind in den Vereinigten Staaten fast eine Million Menschen an einer Opioid-Überdosis verstorben. Mittlerweile ist der Missbrauch des Opioids Fentanyl die häufigste Todesursache bei 18- bis 49-jährigen.

Die Frage darf also erlaubt sein: Ist das Thema nicht etwas zu heikel für eine plumpe Horror-Serie? Mitnichten! Die Serien und Filme von Mike Flanagan sind nämlich vieles, aber mit Sicherheit nie plump.

Der neue Stephen King?

Mittlerweile hat sich der US-amerikanische Autor, Produzent und Regisseur eine echte Fangemeinde aufgebaut. Stephen King mag der König des Horrors sein, doch schon seit Jahren macht Flanagan von sich Reden. Ausgangspunkt: Die fantastische Horror-Serie Spuk in Hill House, die die Welt im Sturm eroberte. Die Geschichte über das Geisterhaus katapultierte sich weit über die üblichen Horror-Grenzen hinweg. Flanagan schreibt keinen Horror von der Stange, um Genre-Klischees zu bedienen und Jump Scare an Jump Scare zu reihen…. In seinen Geschichten stehen die Figuren im Zentrum. Sie haben einen dramatischen Kern. Flanagan dreht keinen Horror, sondern gruselige Dramen.

Doch so manche seiner Werke konnten nicht immer überzeugen und hatten durchaus ihre Makel. Seine Serie Midnight Club hat vielleicht niemand gesehen. Zumindest ist mir kein Mensch untergekommen, mit dem ich über die Serie hätte sprechen können. Daher war der Aufschrei nicht besonders groß, als Netflix einer zweiten Staffel den Riegel vorschob. Flanagan aber schrieb sich in mein Herz, als er auf seinem Blog einen Artikel veröffentlichte, in dem er verriet, wie er die Handlung fortsetzen und zu einem Ende führen wollte. Bei so vielen Serien, die von Netflix trotz offener Enden abgesägt werden, war das eine liebevolle Geste vom aktuellen Meister des Horrors.

Mit seiner neuesten Serie hat sich Flanagan auf alte Stärken zurückbesinnt. Ich konnte kaum die Finger vom Haus Usher lassen. Wenn sein kommendes Projekt genauso gut wird, erwartet uns Großes: Angeblich arbeitet er gerade mit Amazon an einer Serien-Umsetzung von Stephen Kings Opus magnum Der dunkle Turm.

Ich zumindest kann es kaum erwarten.

Bilder: Alper Turfan

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