Wenn die Supermarktkasse am Abend ihr letztes „Piep“ macht und die letzte Brezel über die Bäckertheke wandert, gehen tausende ehrenamtlichen Foodsaver auf Rettungsmission. Ausgestattet mit Fahrradanhängern und Tragetaschen retten sie die übrigen Lebensmittel und für den Müll bestimmten Lebensmittel. flin erklärt, wie Lebensmittelrettung in Deutschland funktioniert und wie jeder mitmachen kann.
Autorin: Lena Kube
In Deutschland landen jedes Jahr 11 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Das ist die offizielle Zahl des Statistischen Bundesamtes. Gezählt wird, was zwischen Feldrand und Teller auf der Strecke bleibt. Bei jedem Schritt der Produktionskette landen noch genießbare Lebensmittel im Müll. Deckel auf, Deckel zu, Augen zu: von der Zimtschnecke bis zur Banane ist nichts vor der Tonne sicher. Es gibt zwar unvermeidbare Lebensmittelabfälle wie Produktrückrufe, der Löwenanteil wäre allerdings vermeidbar.
Foodsaver & Fairteiler: Wie funktioniert Foodsharing?
Die Lebensmittel, die in Supermärkten, Bäckereien oder Restaurants übrigbleiben, sind die Verlierer aus unserem Überangebot. Für den Handel „lohnt“ sich das Verwerten oder Verschenken nicht. Die klammheimliche Entsorgung im Müll hat rechtlich keine Konsequenzen. Andere Länder versuchen, das Problem mit gesetzlichen „Wegwerfverboten“ anzupacken. Deutschland (noch) nicht. Hier heißen die Helden der verschmähten Croissants und fehlkalkulierten Joghurt-Paletten „Foodsaver“. Im deutschsprachigen Raum sind das zirka 260.000 Ehrenamtliche. Gäbe es eine Foodsaver-Stadt, wäre sie so groß wie Heidelberg.
Foodsharing ist also nicht nur das englische Wort fürs Essenteilen, sondern ein eingetragener Verein. Herzstück ist die Internetplattform foodsharing.de. Die Online-Karte ist die Schnittstelle zwischen den 260.000 ehrenamtlichen Rettern und 15.000 kooperierenden Betrieben.
Anmelden und mitmachen: Wie werde ich Foodsaver?
Eine halbe Million Menschen haben auf der Internetplattform einen Account. Sie haben zunächst den Status „Foodsharer“ und können auf der Karte sogenannte Essenkörbe einstellen. Zum Beispiel, wenn von einer privaten Geburtstagsfeier Kuchen übrig ist. Andere Mitglieder können den Essenskorb anfragen und die Lebensmittel abholen. Um bei Rettungsaktionen bei kooperierenden Betrieben mitzumachen, müssen Foodsharer das „Upgrade“ zum Foodsaver machen. Das kostet nichts, aber umfasst einige Schritte. Der erste Schritt ist das Bestehen eines Online-Test mit Grundlagenwissen zu Hygiene und Lebensmittelrecht.
Wer als Foodsaver aktiv werden möchte, muss zudem eine Rechtsvereinbarung unterschreiben. Da steht drin, dass Foodsaver eigenverantwortlich handeln und die Betriebe nicht mehr haften, sobald der Foodsaver die Lebensmittel abgeholt hat. Bevor es auf die erste „Rettungsmission“ geht, muss jeder neue Foodsaver dreimal einen erfahrenen Foodsaver begleiten. Erst danach erhalten sie ihren Foodsaver-Ausweis und können an einem der täglich rund 7.408 Einsätze teilnehmen.
Foodsharing: Wer bekommt eigentlich die Lebensmittel?
Foodsaver dürfen selbst entscheiden, was sie mit den geretteten Lebensmitteln machen. Die Lebensmittelverwertung steht an erster Stelle, während es bei den Tafelläden die soziale Bedürftigkeit ist. In Konkurrenz zur Tafel steht Foodsharing allerdings nicht, es gilt unter Foodsavern der Kodex: die Tafel hat immer Vorrang!
Sehr aktive Foodsaver pflegen private WhatsApp-Gruppen oder machen die geretteten Lebensmittel selbst haltbar. Andere bringen die Ware zu Fairteilern oder zu registrierten Abgabestellen wie Obdachlosenunterkünften, Seniorenheimen oder Kindergärten. Insgesamt gibt es rund 1.300 Fairteiler, in fast jeder deutschen Stadt findet sich – meist etwas versteckt – ein öffentlicher Lebensmittelschrank. Die genauen Standorte verrät die Online-Karte der Internetplattform.
Drei Tipps, damit im privaten Haushalt weniger Lebensmittel im Müll landen:
- das Mindesthaltbarkeitsdatum ist keine Wegwerfempfehlung
- Einkäufe sollten immer gut geplant sein
- Resteessen sind die besten Essen 😊
Hier geht es zum Foodsharing-Quiz:
Fotos: foodsharing.de, BLE, iStock