Alper K. Turfan arbeitet schon seit vielen Jahren in der Online-Branche. Dafür hält er sein Gesicht in die Kamera, um über Filme & Serien – auch für flin in der Kolumne Serienreife – abzunerden, oder er schreibt entwickelt Konzepte. Im Interview verrät Alper uns, welche Vorbilder es in seinem Leben gab und wie ihn diese beeinflusst haben. Noch mehr zum Thema „Vorbildlich! Menschen, die uns inspirieren“ gibt es hier.
Das Interview führte Caroline Friedmann
Herr Turfan, hatten Sie ein Vorbild in Ihrem Leben und wenn ja, warum gerade diese Person?
Als ich noch ein Kind war, gab es einen Fußballer namens Gheorghe Hagi, dem ich beim Fußballspielen nachgeeifert habe. Wenn ich ein Tor schoss, rief ich seinen Namen, um mir vorzustellen, ich sei er und stünde gerade nicht auf dem Bolzplatz, sondern einem ausverkauften Stadion. Vielleicht war das mein frühestes Vorbild. Später bemerkte ich, dass ich keine Fußballkarriere anstreben möchte und entwickelte ein Interesse an Filmen. Doch ein Mann faszinierte mich wie kein anderer: der Regisseur Stanley Kubrick. Seine Filme weckten in mir die Lust, Filme und Serien nicht mehr nur als Unterhaltungsprodukt zu konsumieren, sondern die Filmkunst zu hinterfragen und mich tiefgründiger mit Filmen auseinanderzusetzen.
Kubricks Perfektionismus und sein unermüdlicher Wille, sich mit jedem seiner Projekte neu zu erfinden, inspirierten mich. Er zeigte mir ein Streben nach Qualität, das mich nachhaltig beeindruckte, und mir auch den Mut gab, an eigene Ideen zu glauben, mögen sie noch so außergewöhnlich sein. Heute aber stehe ich ihm und seiner gesamten Arbeitsweise äußerst kritisch gegenüber. In seinem Wahn nach Perfektion ließ er Mitarbeiter 80-Stunden-Wochen schuften, kapselte sie von ihren Familien ab und terrorisierte zum Beispiel seine Hauptdarstellerin Shelley Duvall so sehr, dass sie unter Nervenzusammenbrüchen litt. In der Branche wurde das als normal wahrgenommen. Wer mit dem größten Genie der Filmwelt arbeiten möchte, müsse eben Opfer eingehen. Seine Filme haben nichts von ihrer Magie verloren, doch zeigte er mir auch: Kein Mensch ist perfekt.
Was Vorbilder angeht, wurde ich über die Jahre immer kritischer und vorsichtiger. Ich finde es fragwürdig, wenn nicht sogar gefährlich, Einzelpersonen unkritisch anzuhimmeln. Der Mensch ohne Schwächen muss noch geboren werden. Daher halte ich es für unklug, einzelne Personen herauszustellen und sie zu kopieren, ohne sie auch zu hinterfragen. Je älter ich wurde, desto weniger Vorbilder hatte ich im Leben.
Welchen Einfluss hat oder hatte diese Person auf Sie und Ihr Leben – ob beruflich oder privat?
Stanley Kubrick hatte sicherlich einen gewaltigen Einfluss auf mich. Seine Filme haben wesentlich dazu beigetragen, dass ich mich auf theoretischer Ebene mit dem Medium Film auseinandersetzte. Später belegte ich das Fach Theater-, Film- und Medienwissenschaften an der Universität Wien und studierte das Drehbuchschreiben. Mittlerweile verdiene ich mein Geld damit, über Filme und Serien zu sprechen oder zu schreiben. Auch das kreative Schreiben macht einen großen Teil meiner beruflichen Tätigkeit aus. Dabei lasse ich mich noch immer von bekannten Autoren wie Stephen King inspirieren. Dabei geht es mir nur bedingt darum, wie sehr ich die jeweiligen Werke mag, sondern vielmehr um die Arbeitsweise. Ich beschäftige mich mit den Methoden und der inneren Haltung, die verschiedene Autoren und Autorinnen ihrer Kunst entgegenbringen.
Mir macht es Spaß, mir die verschiedenen Arbeitsweisen unterschiedlicher Künstler und Künstlerinnen anzusehen und mich für den eigenen Alltag inspirieren zu lassen. Ich picke mir förmlich aus verschiedenen Vorbildern die Rosinen heraus. So habe ich viel über das Schreiben, aber auch über mich selbst gelernt. Es ist spannend, dass ein Stephen King beispielsweise sich das Ziel setzt, jeden Tag zweitausend Wörter zu verfassen. Kreativität ist eben keine mystische Maschine, sondern ein Muskel, der trainiert werden kann. Da es viele Menschen gibt, deren Schreibmuskel besser trainiert ist als meiner, versuche ich daraus zu lernen, um daraus Positives für mein eigenes Schaffen zu ziehen.
Was macht für Sie ein gutes Vorbild aus?
Demut, Reflektion und Transparenz. Ich halte es für unheimlich wichtig, Fehler und Schwächen offen zuzugeben und den Menschen zu zeigen, dass niemand ohne Fehler ist und dass Fans nicht alles, was man sagt und denkt, für bare Münze nehmen sollte.
Sehen Sie sich auch selbst als ein Vorbild für andere?
Das spielt keine Rolle. Es ist völlig egal, ob ich ein Vorbild sein möchte oder nicht. Mein YouTube-Kanal Cinema Strikes Back und mein Podcast erreichen nun einmal jede Woche Zehn- oder Hunderttausende Menschen. Daher kann ich mich aus der Verantwortung auch nicht herausziehen. In dem Moment, in dem ich Worte an unsere Community richte, muss mir bewusst sein, dass Menschen die Worte auf die Waagschale legen werden. Dadurch, dass viele jüngere Menschen bewundern, dass ich meine Leidenschaft zum Beruf machen konnte, haben meine Worte bei diesen Menschen auch ein gewisses Gewicht. Ich versuche mich Tag für Tag daran zu erinnern, bevor ich mich vors Mikrofon setze.
Im Endeffekt hat es Onkel Ben in Spider-Man schon treffend ausgedrückt: Aus großer Kraft folgt große Verantwortung.
Hatten Sie auch schon Erfahrungen mit schlechten Vorbildern – bei Ihnen selbst oder zum Beispiel im Freundeskreis?
Durchaus. Gerade wenn man mit bestimmten Influencern zu tun hat, erlebt man es immer wieder, dass junge Kids und Teenager ihren Idolen nacheifern. Aber: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch heraus. Leider gibt es aktuell zu viele Influencer und Influencerinnen, die demokratie- oder wissenschaftsfeindliche Inhalte vermitteln und ihren Hass in die Welt hinaustragen. Ein erschreckendes Beispiel ist ein US-amerikanischer Influencer namens Sneako, der mit seinen Streams und Videos Millionen von Menschen erreicht. Sneako ist in der sogenannten Red-Pill-Szene großgeworden. Der Name geht auf die rote Pille aus dem Film Matrix zurück und repräsentiert das angebliche Aufdecken unangenehmer Wahrheiten. Die überwiegend männliche Online-Bewegung basiert auf der Vorstellung, dass man feministische Ansichten ablehnen muss, um als richtiger Mann wahrgenommen zu werden. Oft wird dabei ein gewaltiger Frust auf die gesamte Frauenwelt abgeladen und Hass versprüht.
In einem viralen Video trifft Sneako seine jungen Fans, die teilweise nicht einmal dreizehn Jahre alt sein dürften. Er posiert mit ihnen für einige Selfies. Dabei rufen ihm die Kids ohne einen Anflug von Ironie hasserfüllte Sprüche zu. Alle Gays sollen sterben. Transpersonen seien nicht zu tolerieren. Frauen müsse man hassen. Sneako lacht verlegen, doch ist gleichzeitig schockiert. „Was habe ich getan?“ fragt er noch in die Kamera. Die Kids hingegen strahlen ihr Idol mit großen Augen an und hoffen, dass er ihren menschenfeindlichen Aussagen zustimmt.
Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es eben auch heraus. Leider leben wir in einer Zeit, in der hasserfüllter Content von Algorithmen auf die Startseiten gespült werden, weil Hass auch viel Engagement kreiert. Gerade junge Kids müssen begreifen, dass Vorbilder ein zweischneidiges Schwert sind. Medienkompetenz lautet das Stichwort. Vielleicht sollten wir das als Unterrichtsfach einführen. Gleichzeitig ist es gerade in der heutigen Zeit für Eltern unabdingbar, ihre Kids auf solche falschen Vorbilder vorzubereiten.
Auch ich hatte schon schlechte Vorbilder als Jugendlicher: Künstler, deren Rapmusik ich zelebrierte, die aber das Rauchen als cool inszenierten. Das war sicherlich ein Grund dafür, warum ich jahrelang selbst rauchte. Später feierte ich Schriftsteller, die den Alkohol zelebrieren. In dieser Zeit kämpfte ich selbst mit erhöhtem und täglichem Alkoholkonsum. Zum Glück sind diese Zeiten vorbei. Da frage ich mich schon manchmal, wäre es mir besser ergangen, wenn ich all das nicht gesehen, gehört oder gelesen hätte? Oder sind wir hier bei der Henne und dem Ei und ich trug schon alle Charaktereigenschaften in mir und habe nur die passenden Vorbilder dazu gesucht?
Wie so oft gibt es auch auf diese Frage vermutlich keine uneingeschränkt richtige oder falsche Antwort.
Bilder: Alper K. Turfan