Ab ins Ödland: Fallout ist ein voller Erfolg!

Rein in die Power-Rüstung, das Ödland wartet: Fallout rockt! – Manchmal schwelge ich in Erinnerungen und denke an meine Uni-Tage zurück. Ich war jünger, hatte 15 Kilo weniger auf den Rippen und mein Rücken fühlte sich nicht ständig an wie eine Packung Salzstangen, auf die man einen Amboss fallen lässt. Doch jedes Mal, wenn ich meiner verflossenen Jugend hinterherweine, denke ich auch: Mein Gott, bin ich froh, dass ich nicht mehr so pleite bin wie damals!

Autor: Alper K. Turfan

Selbst mein wichtigstes Arbeitsgerät dieser Zeit, mein Laptop, war eine archaische Rumpelkiste. Das Ding sprang nur noch mit gutem Willen, ein bisschen Spucke und fünf Ave Maria an. Die Rechenleistung war nicht weit entfernt von einem ABC-Lerncomputer für Kleinkinder. Manchmal machte es sogar ähnliche Geräusche. Was macht man also, wenn man lediglich eine solche Digital-Tretmühle besitzt, in der die Einser und Nullen so motiviert sind, wie ich beim Arbeiten, wenn die Sonne rauskommt, und man dennoch verrückt nach Videospielen ist? Na, man taucht ein in die fabelhafte Welt der Retro-Games!

Virtuelles Eldorado der alten Spielwelt

So stieß ich schnell auf das virtuelle Eldorado der alten Spielewelt: die sagenumwobene und Kultgewordene Reihe „Fallout“. Die ersten beiden Spiele erschienen in den späten Neunzigern und boten rundenbasierte Kämpfe, mit 2D-Draufsicht von schräg oben, inmitten einer farbarmen, postapokalyptischen Welt, in der hinter jeder Ecke Räuber, Mutanten oder menschenopfernde Atombomben-Sekten lauern. Man startet in einer der sogenannten Vaults, einem Bunker unter der Erde, in dem die Bevölkerung der USA Zuflucht gesucht hat. Denn ein Atomkrieg mit China hat die gesamte Welt verwüstet und weite Teile in ein Ödland verwandelt, dessen Landsstriche verseucht und teilweise unbetretbar geworden sind.

Selbst in 2D fesselte mich diese dystopische Welt, als ich die Vault durch ein Höhlensystem verlassen durfte, um das zu sehen, was nach dem vernichtenden Atomkrieg von der Zivilisation übriggeblieben war. Denn an der Oberfläche treffen wir auf genmutierte Bewohner des Ödlands in Städten, die an Schrottplätze erinnern. Man kämpft dabei gegen gigantische Kakerlaken, unterhält sich mit diskriminierten Ghouls oder staunt über zweiköpfige Kuhwesen. Wenn ich daran denke, geht mir schon wieder das Herz auf!

Fallout – vom Spiel zum Film

Das retrofuturistische Fallout ist aber nicht immer so deprimierend und düster wie es klingen mag, sondern oft auch schrill, grotesk und aberwitzig. Smoothe Jazz-Musik oder Space-Age-Pop aus den Fünfzigern sorgen für eine einzigartige Stimmung. Dennoch thematisiert die Reihe auch die gewaltbereite Natur des Menschen und verrät uns: „Krieg. Krieg bleibt immer gleich.“ Mittlerweile habe ich alle wichtigen Ableger der Reihe durchgespielt, denn nach dem zweiten Teil folgten noch vier weitere Spiele in der Hauptreihe und vier weitere Spin-offs. Die zweiköpfige Kuh muss schließlich auch gemolken werden. Die kruden 2D-Draufsichten sind mittlerweile antike Spielehistorie. Wenn man in Fallout 3 aus der Vault tritt, erstreckt sich die offene Spielwelt über alle drei räumlichen Dimensionen in die endlose Weite. Schon damals dachte ich mir: Woah. Dieses Universum ist so faszinierend – Warum kommt niemand auf die Idee, das Ganze mal zu verfilmen?

Die Zeiten ändern sich

Andererseits war ich aber auch froh darüber, denn Videospielverfilmungen galten als verflucht und waren grundsätzlich Grütze. Meine Güte, was für einen Schmarrn ich schon über mich ergehen lassen musste. „Street Fighter“ war vielleicht der erste Film, den ich schon als Jungspund miserabel fand. Ich zelebrierte damals noch jedes Action-Haudrauf, das mir unterkam, aber da gingen selbst bei mir die Alarmglocken an. „Habt ihr denn nicht ein einziges Mal das Spiel gezockt, bevor ihr den Film gedreht habt?“ Doch Street Fighter ist ein Citizen Kane im Vergleich zum Super-Mario-Film. Nicht der neue, sondern der Fiebertraum von 1993. Nur die Filme des deutschen Regisseurs Uwe Boll, der es nach Hollywood geschafft hatte, können das noch unterbieten. „Dungeon Siege“, „Alone in the Dark“ oder „Bloodrayne“ sind wahrlich unguckbar.

Doch Zeiten ändern sich… zum Glück! Spätestens seit der HBO-Serie „The Last of Us“ dürfte selbst beim Vault-Volk angekommen sein, dass der Fluch gebrochen ist. Videospiele werden nicht mehr belächelt und Hollywood hat endlich verstanden, welches Potenzial in den Spielen steckt. Deswegen war ich hoffnungsvoll, als Amazon feierlich verkündete: Wir arbeiten an Fallout!

Acht Folgen von Fallout

Denkt man an die kostspieligen Amazon-Produktionen „Rad der Zeit“ oder den Herr-der-Ringe-Super-GAU „Ringe der Macht“ zurück, kann man schon skeptisch werden. Doch Fallout ist das Gegenteil! Alle acht Folgen sind mittlerweile auf Amazon Prime zu sehen und drehen sich um die Vault-Bewohnerin Lucy. Als eine blutrünstige Gruppe von Räubern ihr Zuhause überfällt und ihren Vater kidnappt, muss sie zum ersten Mal an die Oberfläche ins fremde Ödland, um ihn wiederzufinden. Fallout entwuchs hochtalentierten und nicht unbekannten Köpfen. Lisa Joy und Jonathan Nolan sind die kreativen Motoren hinter dem Projekt. Das Ehepaar um den unbekannteren der beiden Nolan-Brüder hatte schon mit den Serien „Person of Interest“ und „Westworld“ die Science-Fiction-Fans begeistert. Für Fallout holten sich die beiden sogar den deutsch-iranischen Game-of-Thrones-Komponisten Ramin Djawadi ins postatomare Rettungsboot.

Gelungenes Kunststück

Nolan und Joy beweisen, dass sie begriffen haben, was den Reiz der Spiele ausmacht. Die Gags wirken wie aus einem Guss mit den Spielen, genauso die brechenden Knochen, fliegenden Körperteile und die Blutfontänen. Die Serie ist genauso erwachsen, abgedreht und rabiat wie die Spiele. Wer sich an eine filmische Umsetzung von Fallout wagt, steht aber erst einmal vor der Mammutaufgabe, diese postapokalyptische Welt überhaupt erst mal umzusetzen, von den zerstörten, kreuz und quer wiederaufgebauten Schrott-Städten über die sogenannten fulminanten Power-Rüstungen der Stählernen Bruderschaft bis hin zu den verstrahlten und gefährlichen Kreaturen des Ödlands. Mit großen und glasigen Augen vor dem Fernseher kann ich Nolan und Joy nur gratulieren. Das Kunststück ist gelungen!

Die wenigen Schwächen konnte ich leicht zur Seite schieben, denn als Fan der Spiele bin ich hellauf begeistert. Nun freue ich mich auf die zweite Staffel, weil mir die Figuren regelrecht ans Herz gewachsen sind. Doch auch Nicht-Fans können hier getrost zugreifen. Die Tragweite der Geschichte ist wohldosiert, in diesem Ödland dürfte sich jeder Frischling wie Zuhause fühlen. Also schieben Sie sich eine Mikrofusionszelle in die Power-Rüstung, pfeifen Sie sich eine Packung RadAway rein… Das Ödland wartet!

Bilder: Alper K. Turfan

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